Der Druck der Familie kann einen mürbe machen
Wenn arrangierte Ehen scheitern

Was nach ihrer Ankuft in San Francisco passiert, ist Folgendes: Sie bleibt nicht länger als einen Monat bei ihrem Ehemann an der Westküste Amerikas. Er holt sie vom Flughafen ab, sie fühlt sich vom ersten Moment an unwohl bei ihm. Das verheiratete Paar stellt schnell fest, dass es nichts, aber auch gar nichts gemeinsam hat. Endlose Diskussionen zwischen dem Ehepaar stehen an der Tagesordnung. Nach vier Wochen geht es dann einfach nicht mehr. Bevor Lakshmi schließlich zu ihrem bei New York lebenden Bruder flüchtet, sagt ihr Vater noch am Telefon zu ihr: "Ich wollte doch immer nur, dass du glücklich bist."

Ihr vier Jahre älterer Bruder und seine Frau heirateten vor drei Jahren aus Liebe. Bei ihnen stößt Lakshmi auf Verständnis und Fürsorge und erholt sich in ihrer Obhut schnell von den vielen Streitereien der vergangenen Wochen, schmiedet schließlich Zukunftspläne: Nie mehr zurück zu Pramod. Erstmal kein Kunststudium in den Staaten. Ein Job muss her. Nur sehr wenige eingeweihte Freunde bittet Lakshmi, das Ganze nicht an die große Glocke zu hängen. Den meisten jedoch erzählt sie erst einmal gar nichts. "Ich tue so, als wenn zwischen Pramod und mir alles okay ist", sagt Lakshmi, "denn, wenn sie die Wahrheit erfahren würden, täten sie bis zur Scheidung alles, um mich davon zu überzeugen, mich nicht von ihm zu trennen." Um Freunden keine Möglichkeit für Überredungsversuche zu geben, hat Lakshmi beschlossen, bis zum Herbst dieses Jahres mit der schockierenden Neuigkeit zu warten. "Dann ist die Scheidung hoffentlich durch."

Lakshmi hat das Glück, dass ihre Familie hinter ihr steht. Egal, was ihre Verwandten von ihrer Entscheidung, sich von ihrem Mann zu trennen halten, die meisten werden sie dafür wahrscheinlich nicht verurteilen. Sie wird einen ihren Qualifikationen entsprechenden Job in ihrer Wunschstadt Mumbai finden und hat die Chance, doch noch glücklich zu werden.

Aber wie viele Frauen und Männer leben in einer unglücklichen arrangierten Ehe und können dieser aus verschiedenen Gründen nicht entfliehen? Sie gehören vielleicht nicht der Brahmanenkaste an, haben keine Geschwister, die zu ihnen halten, konnten nie studieren, sind finanziell nicht unabhängig, haben keine halbwegs verständnisvollen Verwandten, die eine Trennung vom Ehepartner früher oder später akzeptieren würden. Wie viele müssen in einer unglücklichen arrangierten Ehe verharren? Vermutlich trauen sie sich noch nicht einmal diese Worte auszusprechen: "Ich liebe ihn nicht, es war ja auch keine Liebesheirat".