Der Druck der Familie kann einen mürbe machen
Wenn arrangierte Ehen scheitern

Der Grund, warum sie ihren Job in London vor zwei Jahren aufgab, war ein Mann. "Mein damaliger Freund, der in Bombay lebte, war sehr eifersüchtig. Er wollte, dass ich zu ihm nach Bombay ziehe", erzählt sie. Zwei Jahre hielt die Beziehung. Also gab sie in London alles auf und zog zu ihm. "Kurze Zeit später machte er Schluss." Ihr ist anzumerken, dass es noch immer weh tut. Ihr Vater bat seine einzige Tochter einige Monate später, sich Arbeit in Bangalore zu suchen, weil er dort oft geschäftlich zu tun hat und es nicht so weit von Chennai entfernt liegt wie Bombay. Und dann kam auch schon das Thema Heiraten auf den Tisch. "Ich war in dem Moment so desillusioniert." Sie sagt es nicht direkt, aber das, was sie beschreibt, ist Liebeskummer übelster Sorte. "Mir war irgendwie alles egal, und in diesem Moment hab ich mich überzeugen lassen, diese arrangierte Ehe einzugehen. Ich hab es einfach geschehen lassen."

Drei Monate vor der Heirat haben Laksmis Vater und Pramods Eltern ein Treffen zwischen den beiden Singles arrangiert. Da im Anschluss daran keiner von beiden Nein sagte, legten die Eltern das Datum für die Zeremonie fest. Der 30-jährige Pramod, der schon seit acht Jahren in den USA lebt und arbeitet, reiste für das Treffen und für die Hochzeit in seine Heimatstadt Chennai, in der auch Lakshmi aufgewachsen ist. Ihre Ehe führen die beiden in den sechs Monaten nach der Heirat per Telefon und per Computer.

Die letzten Tage - bevor sie in die Boing steigt, die sie zu ihrem Mann in die Staaten fliegen wird - verbringt Lakshmi bei ihrem Vater in Chennai. Die Wohnung des schlanken, stets in weiße Kleidung gehüllten, alten Mannes besteht aus drei Zimmern, mehreren Balkonen und eigener Puja, einem kleinen Gebetsraum. Vor den Fenstern ohne Glasscheiben befinden sich lediglich die in Indien typischen groben Metallgitter, die vor Einbrechern schützen. Da alle Türen in der Wohnung offen stehen, zieht es durch alle Zimmer. Lakshmis Koffer stehen gepackt in einer Ecke. Sie wirkt weder nervös noch aufgeregt, weder besonders traurig noch zufrieden. "Ich hoffe einfach, dass es irgendwie funktionieren wird", sagt sie, während sie die Stirn in Falten legt.

Was Lakshmi in diesem Moment noch nicht weiß, ist, dass es nicht funktionieren wird. Vermutlich ahnt sie es, versucht aber das Ganze, so gut es geht, durchzuziehen. Sie lenkt sich in diesen Tagen ab, trifft sich mit Freunden, telefoniert fast pausenlos, holt ihr Flugticket aus dem Reisebüro, chattet im Internet und unterhält sich mit ihrem Vater, dem sie im Übrigen überhaupt nicht böse ist, dass er sie dazu drängte, Pramod zu heiraten. "Ich weiß, dass er immer nur das Beste für mich wollte", sagt Lakshmi mit einem traurigen Lächeln.

Drei Tage später sitzt sie im Flieger. Jetzt ist es soweit. Niemand weiß, worüber sie auf dem Langstreckenflug mit Zwischenstopp in London nachdenkt, was sie sich insgeheim wünscht, wofür sie betet - zu ihrem Lieblingsgott. Wird er sie am Ende erhören?